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drosera meristocaulis ist eine Zwergdrosera....


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Andreas Fleischmann
Posted

Hallo!

Drosera meristocaulis aus Südamerika scheint genetisch zwischen drosera scorpioides und drosera ericksoniae zu stehen....

Genau lesen! IRGENDWO zischen D.scorpioides und D.ericksoniae!

Fest steht jedenfalls, dass D.meristocaulis eindeutig in die Sektion Bryastrum gehört, also zu den Zwergdroseras. Das war morphologisch schon recht klar, vor allem wenn man sich die Griffel und die Stipeln angesehen hat. Und nun auch noch der molekulare "Beweis" (obwohl Fernando bisher nur einen einzigen genetischen Marker verwendet hat, was an sich noch nicht sehr aussagekräftig ist!)

In seinem Phylogramm ("Stammbaum") fällt D.meristocaulis in den selben "Ast" wie D.pygmaea, D.occidentalis, D.scorpioides und D.ericksoniae (also die Sektion Bryastrum. Dass D.pygmaea immer noch als eigene Sektion geführt wird, nur weil sie 4 Petalen hat ist völliger Blödsinn, will ich hier nur mal nebenbei bemerkt haben, und wird sich auch bald ändern!;-)). Dabei hat Fernando wie gesagt nur diese 4 Vertreter sequenziert, repräsentativ für die Pygmies und er erhält auch keine Auflösung innerhalb des Pygmy-Astes!!! Sprich: Keine Aussage möglich, welche Art wie genau mit welcher verwandt ist! (Das mache ich dann in meiner Doktorarbeit! ;-))

Und hier meine Prognose: D.meristocaulis wird zwar innerhalb der Sektion Bryastrum bleiben, aber es wird sich herausstellen (bei Verwendung mehrerer genet. Marker und Miteinbeziehen der morphologischen Merkmale), dass alle australischen Pygmies untereinander näher verwandt sind, als mit D.meristocaulis. Sprich: eigene Subsektion für D.meristocaulis.

Diese Phänomen von "Einzelgängern" in Südamerika ist übrigens gar nicht so selten, die Gattung Salix (Weiden) ist in der Nordhemishäre weit verbreitet und ein Einzelgänger, S. humboldtiana, steht ganz alleine für die Weiden in Venezuela.

Fernandos Theorie der rezenten Fernverbreitung von D.meristocaulis und D.sessilifolia aus Australien nach Südamerika (nach dem Zerfall des Südkontinents Gondwana) glaube ich auch nicht (und das weiß er! ;-)):

1.Verbreitung über Meeresstömung: Legt mal Samen von Drosera capensis o.ä. für ein/zwei Tage in Salzwasser: Erstens gehen sie recht bald unter, zweitens keimt dann nichts mehr!!!!

2.Windverbreitung: Den Orkan möchte ich sehen, der über Australien fegt, Drosera-Samen mitnimmt und non-stop nach Venezuela weht!

3.Tierverbreitung: Erstens sind Drosera-Samen denkbar ungeeignet, im Gefieder/Fell irgendwelche Tiere hängen zu bleiben (und gefressen werden sie noch viel weniger ;-)). Zweitens: Wer mir auch nur einen einzigen Zugvogel nennen kann, der von SW-Australien nach Südamerika fliegt (egal in welche Richtung), bekommt von mir einen Kasten Bier spendiert.

Meine Theorie: Drosera ist bereits so alt, dass die Gattung (oder irgendwelche Vorläufer) schon in Australien und Südamerika waren, bevor sich die Südkontinente überhaupt getrennt haben! Wartet nur auf Pollenfunde aus der Antarktis!!! ;-)

Alles Gute,

Andreas

Christian Rudat
Posted

Hallo Andreas,

vielen Dank für die Klarstellung und den wesentlich tieferen Einblick als bisher. Das "somewhere" hatte ich zwar gelesen, aber nicht richtig interpretiert... Dafür fehlt mir auch einfach die Fachkenntnis. Aber wofür haben wir schließlich Dich?  ;)

Schön, jemanden mit so viel Ahnung im Forum zu haben.

Viele Grüße,

Christian

Joachim Danz
Posted

Hallo Andreas,

mit Gen-Untersuchungen bei Pflanzen kenne ich mich leider nicht aus, Dein Satz

...(obwohl Fernando bisher nur einen einzigen genetischen Marker verwendet hat, was an sich noch nicht sehr aussagekräftig ist!)...

macht mich aber aus wissenschaftlicher Sicht doch sehr stutzig. Wie aussagekräftig ist denn der verwendete Marker in Bezug auf die Differenzierung von anderen Drosera-Arten? Und warum werden nicht mehrere Marker verwendet, ist dies zu teuer oder fehlt da schlicht noch das Wissen, welche für die Zuordnung der Drosera relevant sind?

Gruß Joachim

Andreas Fleischmann
Posted

Hallo Joachim!

Frühere "genetische Stammbäume" wurden tatsächlich nur mit einem genetischen Marker errechnet. Wie sich heute mehr und mehr herausstellt, waren diese fast alle falsch.

Ich will versuchen, das auch für "Nicht-Fachidioten" zu erklären ;-) :

Ganz einfach gesagt (und schwierig in der Praxis)

Man isoliert Stücke des Erbgutes (DNA) aus den Pflanzen, sucht sich eine Region darauf aus, die Verwandtschaftsaussagen zulässt (die DNA-Region darf nicht zu schnell im Laufe der Evolution mutieren, wie z.B. sog. "nicht-kodierende Bereiche" (="Müll"), sie darf aber auch nicht unveränderlich sein, wie z.B. Genbereiche, die für lebenswichtige Enzymfunktioen codieren). Nun baut man sich ein Markermolekül (Primernukleotid), das an den Anfang dieser Region andockt, und baut die Sequenz mit künstlichen, markierten DNA-Bausteinen (Basen) nach. Ein sog. "Sequenzer" (großer, teuerer Kasten mit Zugang zu einem MAC) "liest" nun die künstliche Sequenz ein und auf dem Bildschirm kann man dann die Gensequenz darstellen. Nun vergleicht man diese Gensequenzen (die jeweils nur einen winzigen Bruchteil der gesamten Erbinformation darstellen) unterschiedlicher Arten miteinander und kann anhand der Abweichungen im Basenmuster Verwandtschaftsaussagen treffen (und wenn man die Mutationsrate kennt, auch, wie lange die beiden Arten schon evolutiv voneinander getrennt sind).

Und jetzt kommt der ganz große Haken an der Geschichte:

Unterschiedliche Genbereiche mutieren unterschiedlich stark! Ist eigentlich völlig logisch, hat aber Anfang der 80er, als diese Technik groß in Mode kam, keiner bedacht! Und heute hat kaum einer mehr die finanziellen Mittel, mehrere Marker zu verwenden, die ganze Sequenziererei ist nämlich ziemlich kostspielig....

Zudem spielt es eine enorme Rolle, von wo aus der Zelle die DNA stammt, die untersucht wird (DNA aus den Chloroplasten und den Mitochondrien verhält sich anders als DNA aus dem Zellkern!!!)

Uns so hat man dann bei späteren Untersuchungen gemerkt, dass man für einige Pflanzengruppen ganz unterschiedliche Stammbäume erhält, je nach dem, welches Gen verwendet wurde! ;-)

Schönes Beispiel aus dem Karnivorenbereich: Verwandtschaft von Dionaea, Aldrovanda und Drosera regia vs. Drosera-Rest zueinander: 3 Markergene verwendet, 3 unterschiedliche Stammbäume erhalten! ;-) ;-) ;-)

Und der "richtigste", meist nach statistischer Verrechnung aller Stammbäume zusammen, war meistens mit dem Stammbaum identisch, der von Morphologen/Anatomen schon hundert Jahre zuvor postuliert wurde!!! ;-)

Deshalb gilt generell: Traue keinem molekularbiologisch erstellten Stammbaum, der nicht mindestens auf 3 unterschiedlichen (heutiger Standart sind 5!) Gensequenzen beruht!

Ich selbst verwende genet. Merkmale nur als EIN weiteres Merkmal zusätzlich zu morphologischen Merkmalen!!! Sprich vereinfacht: Blattform ist GENAUSO viel wert für Verwandtschaftsaussagen, wie Chloroplasten-Marker-Daten! (wenn nicht sogar mehr! ;-))

Schön, wenn die molekularbiologische Verwandtschaftsanalyse die morphologischen Daten stützt (dann hab ich noch ein weiteres Argument für meinen Stammbaum), wenn nicht, habe ich eben umsonst sequenziert!

(Gut, dass mein Chef hier nicht im Forum liest! ;-))

Alles Gute,

Andreas

Achja, hätte ich fast vergessen:

Die Evolution ist ein einmaliger, nicht-rekonstuierbarer Vorgang der immer nur in eine Richtung (nach vorne ;-)) läuft.

Alle Methoden, Verwandtschaftsausagen über Pflanzen/Tiere etc. zu machen, sind also vergebliche Versuche, einen historischen Vorgang zu beschreiben. Die dafür verwendeten Berechnungen beruhen alle auf Wahrscheinlichkeitsaussagen (zwei Arten haben an gleicher Stelle auf der DNA gleiche Basenfolge. Am WAHRSCHEINLICHSTEN ist es, dass sie deshalb nahe verwandt sind. Aber dass die eine Sequenz von beiden vielleicht 20 mal mutiert ist, bevor sie so aussah, kann man natürlich nicht ausschließen. Oder einfacher: Drosera cuneifolia und Drosera admirabilis sehen sich recht ähnlich.WAHRSCHEINLICH liegt das daran, dass sie nahe verwandt sind. Aber ausschließen, dass sie von zwei völlig verschiedenen Entwicklungslinien entstanden sind, und sich nur zufällig oder in Anpassung an den gleichen Lebenraum ähnlen, kann ich natürlich nicht! Schließlich war niemand dabei, als die beiden Arten entstanden sind! Letztere Vermutung ist nur weniger wahrscheinlich! ;-)),und die mathematischen Modelle zur Errechnung der molekularen Stammbäume beruhen auf statistischen Rechenalgorithmen.

Wer sich ein bißchen mit Stochastik auskennt, weiß, was er von einem Stammbaum halten kann, der mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsrechnung konstruiert wurde und dessen Grundvorraussetzungen ebenfalls Wahrscheinlichkeitsannahmen sind! ;-) ;-) ;-)

Und wenn man weiß, dass so ein Phylogramm ("Ahnen-Stammbaum") nur EINE (aber vielleicht eine recht wahrscheinliche) Möglichkeit von vielen zeigt, wie die Arten miteinander verwandt sein KÖNNTEN, dann sieht man doch so eine Aussage: "Die nächsten Verwandten von D.meristocaulis SIND D.ericksoniae und D.scorpioides" schon viel lockerer, oder? Und was ist wahrscheinlicher: Dass eine stammbildende Zwergdrosera-Art mit großen, sitzenden Blüten und ohne Brutschuppen mit vielen Samen, die ganz isoliert auf einem Tafelberg in Venezuela wächst, näher mit bestimmten australischen Zwergdroseras verwandt ist, als diese untereinander? Oder wird sie sich nicht doch vielleicht ein wenig von Rest abheben? ;-)

In diesem Sinne nochmals alles Gute,

Andreas

Joachim Danz
Posted

Hallo Andreas,

vielen Dank für Deine sehr ausführliche Antwort! - Ich denk mir jetzt meinen Teil zu Fernandos Aussagen ;)

Viele Grüße

Joachim

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