Bitte um Mithilfe: Utricularia tenuicaulis in Deutschland?

[Andreas Fleischmann]

Ein Aufruf an alle Karnivorenfreunde, die  a) öfter in der Natur unterwegs sind und die vor allem b) sich mit den heimischen Utricularia-Arten auskennen:

 

Hiermit würde ich gerne um Mithilfe bei der Suche nach einer möglicherweise in Deutschland übersehenen Utricularia-Art  bitten.

Bereits seit 2013 ist mir der Erstfund von Utricularia tenuicaulis (einer Art, die bisher nur aus Japan bekannt war) aus Frankreich bekannt. Diese europäische Sippe wurde nun kürzlich unnötigerweise als "Utricularia brennensis" beschrieben; diesen Namen könnt ihr jedoch getrost vergessen, er stellt ein jüngeres Synonym zu U. tenuicaulis dar. Geographie als *einziges* Unterscheidungsmerkmal zählt nicht, beide Sippen sind absolut identisch und daher als konzepzifisch zu betrachten.

Utricularia tenuicaulis gehört zum U.-vulgaris-Aggregat, ist also steril nicht von U. vulgaris und U. australis zu unterscheiden (so wie U. vulgaris und U. australis ohne Blüten, Blütenstiele oder Früchte auch schon nicht zu unterscheiden sind - von manchen sogar nichtmal dann, wenn sie blühen ;-)). U. tenuicaulis ähnelt einer zierlichen U. australis, ist aber im Unterschied zu dieser fertil, bildet also Samenkapseln und Samen aus - es handelt sich um eine etwas kleinere, fertile Version von U. australis.

[Wer es genau wissen will: Utricularia australis ist eine amphiploide, sterile Sippe, die aus asymmetrischer Hybridisierung von U. tenuicaulis und U. macrorhiza entstanden ist, wohl in Asien, und sich von dort ausgebreitet hat; sie hat (neben U. minor) das weiteste Verbreitungsgebiet aller aquatischen Utricularien, und kommt wohl in 99% des Verbeitungsgebietes ohne die Elternarten vor...]
... wobei der Nachweis von U. tenuicaulis aus Zentralfrankreich nun zeigt, dass U. tenuicaulis vielleicht doch weiter verbreitet ist. Das Indigenat der bekannten Fundorte in Frankreich habe ich mit den Autoren schon beim Erstfund diskutiert - die Region ist sehr abgelegen, eine Ansalbung kann man wohl ausschließen (zumal U. tenuicaulis nicht oft kultiviert wird, auch in Japan ist sie selten zu finden - Einschleppung durch Wasservögel ist jedoch nicht ausgeschlossen, und ein bekannter und dokumentierter Vektor für die Ausbreitung aquatischer Utricularien).

Da U. tenuicualis jedoch selten blüht und steril nicht von U. australis zu unterscheiden ist, ist sie sicher weitläufig übersehen. Aus Deutschland kenne ich bisher keine Nachweise von fertilen U. australis - ich habe schon hunderte von Herbarbelegen des U.-vulgaris-Aggregates danach durchgesehen.

Wenn ihr bei euren Exkursionen oder FLeischi-Touren im Hochsommer vielleicht auf diese Sippe achten könntet - sie blüht nur in sehr warmen Regionen/Sommern, und selbst dann oft jahrelang nicht. Das leichteste Unterscheidungsmerkmal im Gelände ist übrigens das Fehlen von Anthocyanen, weshalb weder Sprosse, Fangblasen noch Blütenstiele jemals eine rötliche Färbung zeigen, sondern immer grasgrün bleiben (diese rote Färbung zumindest der Infloreszenzstiele und Blütenstiele ist in typisch entwickelten U. australis (und U. vulgaris) immer vorhanden, außer die Pflanzen wachsen sehr schattig - dann blühen sie aber meistens erst gar nicht). Wenn die Pflanze dann noch U.-australis-typische Blüten hat (zur Unterscheidung U. vulgaris/U. australis siehe hier) UND Samenkapseln ausbildet, dann ist es mit großer Wahrscheinlichkeit U. tenuicaulis. Da könntet ihr den Erstnachweis für Deutschland liefern! :-)
Sollten ihr auf solche Pflanzen stoßen, würde ich gerne um aussagekräfitge Fotos und ggf. einen Herbarbeleg zur Nachbestimmung bitten.
Bitte allerdings KEINE sterilen Triebe schicken, auch keine Fotos von nicht-blühenden Trieben, ich kann sicher nur blühendes Material bestimmen.

 

Alles Gute,

Andreas

[Richard Bayerl]

Morgen Andreas,

ich denke zum besseren Verständnis zum Thema hier ein Link:

http://wildplantsshimane.jp/Plates/Utricularia_tenuicaulis.htm

 

Grüße Richard

[Siggi_Hartmeyer]

Für alle, die sich vor der Suche nach dem Exoten erstmal einen Überblick über die bekannten in Europa verbreiteten Wasserschlaucharten und Hybriden verschaffen möchten, empfehle ich diese Doku, die wir gemeinsam mit Jan Schlauer während zwei Jahren an den Standorten zwischen Bodensee, Schwäbischer Alb und den Alpen produzierten. Mit diesem Basiswissen wird einiges leichter verständlich:
 

 

Bearbeitet 7. Februar 2020 von Siggi_Hartmeyer

[Berni Toller]

Da kommt ja direkt Goldgräberstimmung auf

Sehr interessantes Thema, ich hoffe da ergibt sich was 

Grüße

[Richard Bayerl]

Mal schauen ob was in unseren Breiten gedeiht?

Im Vorfeld kann jeder etwas zu dieser Forschung beitragen und seine Archive durchstöbern und mal genauer seine Utricularien "vulgaris/australis" anschauen. Vielleicht ist ja ein "Treffer" dabei?

Interessant wäre dann in welchen Deutschen Breiten das/die Vorkommen dann sind?

Eher Nord-/Mittel-/Süd- oder West-/Ostdeutschland?

Hochmoorig oder mehr so Bachschlenken?

Niederalpin oder Hochalpin?

Und bei unseren heißen Sommern der letzten Jahre wäre das für diese neue Utri ideal zum Blühen gewesen.

Viel Erfolg beim Suchen.

Grüße

 

 

[Gast Anagallis]

Und wie ist es einzuschätzen:

 

Quote

Das leichteste Unterscheidungsmerkmal im Gelände ist übrigens das Fehlen von Anthocyanen, weshalb weder Sprosse, Fangblasen noch Blütenstiele jemals eine rötliche Färbung zeigen, sondern immer grasgrün bleiben

 

Und die Bilder dort

 

Quote

ich denke zum besseren Verständnis zum Thema hier ein Link:

http://wildplantsshimane.jp/Plates/Utricularia_tenuicaulis.htm

 

durchgehend rötliche Stengel zeigen?

Bearbeitet 11. Februar 2022 von Anagallis