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Namensänderungen bei den heimischen Utricularien


Andreas Fleischmann

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Andreas Fleischmann

Liebe Freunde der gelben heimischen Wasserpflanzen ?

 

Leider werden wir uns an einige neue Namen bei unseren heimischen Utricularia-Arten gewöhnen müssen, und beim "Stamminventar" wird es auch wieder eine Art weniger). Bzw. die Älteren unter uns (100+ ;-)) können sich freuen, denn damit sind wir wieder bei den Namen, wie sie vor c. 100 Jahren verwendet wurden, bzw. in einigen Florenwerken auch noch bis vor ca. 30 Jahren.

 

Der wissenschaftliche Artikel dazu findet sich hier (leider nicht frei zugänglich):

Unknown sides of Utricularia (Lentibulariaceae) diversity in East Europe and North Asia or how hybridization explained old taxonomical puzzles

 

Unsere allerhäufigste heimische Art, die wir bisher U. australis genannt haben, wurde eindeutig als Hybride identifiziert. Und zwar aus U. vulgaris und U. tenuicaulis, der gülitge Name für diese Hybride muss nun U. x neglecta Lehm. lauten. Und damit ist unsere sterile Pflanze nicht identisch mit der asiatischen sterilen Hybride, die ebenfalls bisher U. australis genannt wurde. Die asiatische Hybride sieht auch identisch aus, ist aber aus U. macrorhiza x tenuicaulis entstanden. Und braucht deswegen einen anderen Hybridnamen, sie heißt U. x japonica. Die kommt aber bei uns nicht vor.

Echte U. australis ist eine fertile Art (bildet Samen) und kommt nur in Australien und in Asien vor.

 

Utricularia stygia und U. ochroleuca sind beides sterile Hybriden, die aus Kreuzungen von U. minor und U. intermedia entstanden sind, und an den Naturstandorten auch immer wieder entstehen. Auch das ist nichts wirklich Neues, sondern wurde bereits um 1900 für U. ochroleucha vermutet. Nun ist es auch molekulargenetisch nachgewiesen. U. stygia und U. ochroleuca haben die gleichen Elternarten, aber es sind je Mutter und Vater bei beiden Kreuzungen vertauscht - deswegen sieht U. stygia auch U. intermedia ähnlicher, während U. ochroleuca mehr in Richtung U. minor geht. Siehe dazu auch hier: Utricularia in Bayern

 

In der botanischen Nomenklatur dürfen aber 2 Hybriden aus den gleichen Elternarten nicht zwei verschiendenen Namen haben, bei gleichen Eltern (egal ob intermedia x minor oder minor x intermedia, nomenklatorisch wird das nicht unterschieden) darf es nur einen Hybridnamen auf Artrang geben. Und das ist der ältere Name: beide müssen (wieder) unter U. ochroleuca zusammengefasst werden. Oder man benennt U. stygia als Infrataxon (Nothospecies) von U. ochroleuca neu, was meines Wissens noch niemand bisher gemacht hat.

 

Daneben kommt aber U. tenuicaulis als weiterer "Doppelgänger" von U. x neglecta in Europa vor. Bisher noch nicht in Deutschland nachgewiesen, aber ich denke, die könnte gut im Nordwesten Deutschlands vorkommen, und wurde da halt bisher als "U. australis"  (jetzt: U x neglecta ;-)) abgetan.

 

Schöne Grüße,

 

Andreas

 

Bearbeitet von Andreas Fleischmann
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Hallo,

ein großes Dankeschön an Andreas der uns immer über Neues auf dem laufendem hält und mein Beileid an alle die jetzt rauskriegen wollen was Sie da im Teich haben ;).

VG

  Kai

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Danke Andreas, 

Wie immer eine tolle Aufklärung, aber vermutlich doch mehr Verwirrung als vorher.. haha.. ich zumindest bin noch nicht richtig durchgestiegen?

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Insectivorophilia

Nach dem, was Andreas oben schrieb (danke dafür!) dann wohl: Utricularia × neglecta.

Oder auch  Utricularia × neglecta Lehm.

Nach Johann Georg Christian Lehmann. Das botanische Namenskürzel konnte ich im Forum aus wohl forumstechnischen Gründen nicht in Kapitälchen schreiben (oder habe die Funktion dafür nicht gefunden.

 

Grüße

 

Insectivorophilia

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Hallo,

lässt sich U. tenuicaulis morphologisch von U. vulgaris bzw. deren Hybride unterscheiden?

 

Es müsste aber auch U. x ochroleucha.

 

Grüße

Ronny

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Andreas Fleischmann

Hallo,

 

vor 5 Stunden schrieb Ronny K.:

lässt sich U. tenuicaulis morphologisch von U. vulgaris bzw. deren Hybride unterscheiden?

Ja, aber das ist tatsächlich nicht leicht, da haben sogar die Utricularia-Spezialisten Probleme. 

Von U. vulgaris unterscheidet sich U. tenuicaulis durch die längeren Blütenstiele (Pedicels), durch einen etwas anderen Sporn, sowie - vielleicht  das am einfachsten an lebenden Pflanzen zu sehende Merkmal - fast immer durch fehlende rote Farbstoffe im Blütenstiel (leider(!) können auch U. vulgaris und U. x neglecta gelegentlich, oder im Schatten oft, rein grüne Blütenstiele ausbilden). Daneben ist U. tenuicaulis aber leider auch recht blühfaul, das heißt, die vielen nicht-blühenden Populationen von großen Utricularien bei uns können nun entweder U. vulgaris, U. x neglecta oder U. tenuicaulis sein. Ohne Blüten kann man die drei nicht unterscheiden, auch nicht mikroskopisch (mit DNA geht es hier aber recht gut).

 

Die Unterscheidung U. tenuicaulis - U. x neglecta - U. x japonica (kommt bei uns aber nicht vor) ist noch viel schwieriger, ich würde sagen, ohne DNA oft nahezu unmöglich. Die 3 dürften die am schwierigsten zu unterscheidenden Utricularia-Arten überhaupt sein. Und das will bei der Gattung was heißen ?

 

Ich versuche gerade, den Bestimmungsschlüssel für die heimischen Arten entsprechend zu aktualisieren, für die Offenen Naturführer, den neuen Schmeil-Fitschen, sowie fürs GFP-Forum. Da die BioWiki-Farm gerade noch Serverprobleme hat, und der Schmeil-Fitschen in der neuen Auflage erst einmal gedruckt werden muss, kommt ihr hier im Forum wohl als erstes in den Genuss ? Dauert aber noch ein paar Wochen, ich muss den Schlüssel erst noch in der Praxis testen (lassen...)

Im Sommer habe ich dann hoffentlich auch Bilder von blühenden U. tenuicaulis, dann kann ich den alten Bilderschlüssel hier im Forum auch entsprechend ergänzen. ?

 

Und mein Aufruf gilt immer noch: wer U. tenuicaulis als erstes in Deutschland findet, kann hier den Erstnachweis einer neuen Art für Deutschland machen! ?

 

Schöne Grüße,

 

Andreas

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interessante Einblicke in die Abstammung dieser aquatischen U., dennoch kann man nur froh sein, dass sie wenigstens weiterhin Utricularia heißen!?

LG, Peter.

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Hallo,

vielleicht noch etwas zur rechtlichen Lage zum Sammeln von Utricularia. Die BArtSchV listet nur U. bremii und U. ochroleuca als geschützte Arten. Alle anderen Arten dürfen also für private Zwecke gesammelt werden. Es ist natürlich verboten, die Pflanzen zu sammeln und auf Ebay zu verscherbeln. Außerdem darf nicht in Naturschutzgebieten gesammelt werden. Man mag mich korrigieren, wenn ich falsch liege.

 

Grüße

Ronny

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  • 2 Wochen später...

 

Hallo Andreas,

 

Am 10.2.2022 um 01:02 schrieb Andreas Fleischmann:

Hallo,

 

Ja, aber das ist tatsächlich nicht leicht, da haben sogar die Utricularia-Spezialisten Probleme. 

Von U. vulgaris unterscheidet sich U. tenuicaulis durch die längeren Blütenstiele (Pedicels), durch einen etwas anderen Sporn, sowie - vielleicht  das am einfachsten an lebenden Pflanzen zu sehende Merkmal - fast immer durch fehlende rote Farbstoffe im Blütenstiel (leider(!) können auch U. vulgaris und U. x neglecta gelegentlich, oder im Schatten oft, rein grüne Blütenstiele ausbilden). Daneben ist U. tenuicaulis aber leider auch recht blühfaul, das heißt, die vielen nicht-blühenden Populationen von großen Utricularien bei uns können nun entweder U. vulgaris, U. x neglecta oder U. tenuicaulis sein. Ohne Blüten kann man die drei nicht unterscheiden, auch nicht mikroskopisch (mit DNA geht es hier aber recht gut).

wem kann ich den Material zwecks Bestimmung durch DNA der drei mir bekannten Population in meiner Umgebung senden? ? Ich würde ja doch sehr gerne wissen, was bei mir so wächst ? Ich beobachte die seit nun knapp drei Jahren und habe in den Jahren erst zwei oder drei Blüten gesehen.

 

Gruß

Christian

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